Eine Reise nach Usbekistan – oder – Probleme machen das Leben bunt.
Für Ende August wurden wir zum Sharqtaronalari Festival in Samarkand eingeladen.
Recht viel wussten wir nicht vom Festival, außer dass wir als Vertreter Österreichs in einer Tausend-und-eine-Nacht Kulisse ein Konzert geben sollten.
(Registan, Samarkand)
Nachdem die Einladung erst recht spät kam, waren für das Wochenende davor schon andere Konzerte geplant und der Zeitplan mehr als knapp. Wir fuhren daher vom letzten Auftrittsort in Burghausen direkt zum Flughafen in Wien um mit Zwischenstopp in Moskau nach Samarkand zu fliegen.
Direkt beim Boarding gab es von Aeroflot ein kräftiges „Njet“ zu den beiden Gitarren als Handgepäck. Für eine Gebühr von 50€ pro Stück war man aber bereit, diese in den Frachtraum des Flugzeugs zu übersiedeln, wobei wir wohlwissend darauf achteten, dass als Zielflughafen am Baggage Tag tatsächlich Samarkand angegeben war.
Das Umsteigen auf dem Moskauer Flughafen Scheremetjewo war tatsächlich unproblematisch und am nächsten Tag landeten wir um acht Uhr morgens in Samarkand.
Nachdem wir da schon über 24 Stunden auf den Beinen waren, freuten wir uns schon sehr auf das Hotel, ein gemütliches Frühstück und natürlich das Bett, um beim für 20 Uhr geplanten Auftritt auch wieder fit zu sein.
Der Ausstieg erfolgte direkt auf das Rollfeld, auf dem auch einige Soldaten standen. Als uns diese erblickten, winkten uns diese heraus und gaben uns auf russisch zu verstehen mitzukommen. Ganz wohl war uns ob des speziellen Empfangs tatsächlich nicht. Wir kamen mit und wurden durch einen Nebeneingang geführt. Dort wartete schon ein offizieller Vertreter des Kulturministeriums, um uns herzlich zu begrüßen.
Zu den angebotenen Getränken gab es usbekische Süßigkeiten und das Gepäck wurde für uns geholt. Einige Zeit verging und wir bekamen mit, dass mehrere Männer aufgeregt zu diskutieren begannen. Schlussendlich teilte man uns mit, dass zu zwei der Gepäckabschnitte kein Gepäck angekommen wäre – unsere beiden Gitarren.
Ein Anruf am Moskauer Flughafen bestätigte den Verdacht; die Gitarren waren dort gestrandet. Zwar wurde uns versprochen, dass man die Instrumente zu einem anderen Moskauer Flughafen brächte, von wo um 11 wieder eine Maschine nach Samarkand abheben würde, glauben konnten wir das nicht wirklich.
Statt uns im Hotel zu entspannen, begannen wir in der Stadt daher die Jagd auf mögliche Ersatzinstrumente. Dass unser abendliches Konzert live in allen nationalen Fernsehsendern ausgestrahlt werden würde, wie uns unser persönlicher Begleiter, Dr. Sultanovich, Vizerektor der Universität Samarkand, mitteile, konnte uns auch nur wenig beruhigen.
Im ersten Geschäft war die Auswahl sehr übersichtlich – keine einzige Konzertgitarre mit Tonabnehmer und nur eine einzige Westerngitarre, die jedoch dermaßen kaputt war, dass wir das Geschäft fluchtartig verließen. Im zweiten Geschäft mussten wir allerdings feststellen, dass es im Ersteren immerhin gitarrenähnliche Instrumente gegeben hatte und kehrten dorthin zurück. Der Besitzer hatte natürlich mitbekommen, dass wir dringend eine Gitarre brauchten, dementsprechend fiel dann auch das Angebot aus. Die Gitarre für das Konzert zu mieten wurde kategorisch ausgeschlossen und der Preis orientierte sich an einer Meistergitarre und nicht am Brennwert, der tatsächlich vor uns lag. Unverichteter Dinge fuhren wir zum Hotel und sagten den für drei geplanten Soundcheck ab.
Da auf dem Festival Musikgruppen aus aller Herren Länder spielten, war der nächste Plan eine Band mit geeigneten Instrumenten ausfindig zu machen.
Niemand konnte uns aber die Besetzungen der Gruppen sagen. Anhand von Fotos versuchten wir das jetzt selbst herauszufinden und konnten tatsächlich drei Gruppen mit geeigneten Instrumenten finden. Eine Band war leider schon wieder abgereist, eine andere weigerte sich uns Instrumente für das Konzert zu borgen und – endlich, erster Erfolg des Tages – eine Gruppe aus Italien hatte eine Konzertgitarre, die sie uns auch für das Konzert borgen wollte.
Zwischenzeitlich hatte es unser Übersetzer, Jamshid, über zehn Ecken tatsächlich geschafft in Samarkand eine Westerngitarre ausfindig zu machen und hatte sie in das Hotel gebracht. Spielbar ist ein durchaus dehnbarer Begriff, die verrosteten Saiten aus Sowjetzeiten drohten jedoch zu unverholen mit einer möglichen Blutvergiftung. Nachdem die Ersatzsaiten glücklicherweise im Normalgepäck mitgekommen waren, wollten wir diese aufziehen. Beim Versuch den ersten Befestigungsstift herauszuziehen, brach dieser natürlich ab; der Zahn der Zeit war morsch geworden. Mit etlichen Kunstgriffen und massivem Einsatz von Loctite gelang es uns trotzdem fünf der sechs Saiten zu wechseln. Das Ergebnis tat zwar in den Ohren noch ein bisschen, in den Fingern aber kaum mehr weh.
Jetzt war es auch schon höchste Zeit zum Festival zu kommen, damit sich vor Einlass zumindest noch ein minimaler Soundcheck ausginge. Zehn Minuten wurden uns dafür inklusive Auf und Abbau gegeben. Die Konzertgitarre bekamen wir von der italienischen Band direkt vor Ort. Zum Sound: Nach einem Potpourri aller Feedbackgeräusche, die wir in unserer Laufbahn jemals gehört hatten, fragte uns der Tontechniker, ob wir jetzt zufrieden wären. – wir nickten nur – die Zeit war ohnehin um.
Die Zeit bis zum Konzert verbrachten wir dann damit, Interviews für verschiedene usbekische Medien zu geben. Dabei beantworteten wir tiefschürfende Fragen wie „ob es denn stimme, dass es in Austria keine Kängurus gäbe“ und ich wurde gebeten, für das geneigte Publikum doch ein bisschen was von Paganini zu spielen.
Um 20:30 war es dann soweit – der große Auftritt auf dem Registan Platz. Vor Ort ein Publikum von 4000 Personen inklusive Liveübertragung ins nationalen Fernsehen. Überzeugen konnte uns der Sound wahrlich nicht, die Westerngitarre war in der Mischung nicht existent, ob Vor- oder Nachteil sei dahingestellt; das Publikum war dennoch überraschend begeistert. Das bestätigte sich nach dem Konzert.
Ich kann mich nicht entsinnen jemals dermaßen von Autogrammjägerinnen belagert worden zu sein. Auch am nächsten Tag kamen, während wir durch die Stadt gingen, immer wieder Personen auf uns zu, die uns aus der Fernsehübertragung wiedererkannten.
Bevor wir wieder aus Samarkand abflogen gab uns Dr. Sultanovich noch ein usbekisches Sprichwort mit auf die Reise: „Probleme machen das Leben bunt“.